Die Rezension erschien zuerst auf Compact Online.
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Alexander Dugins neues Buch „Eurasische Mission“ dokumentiert eine tiefe internationale und geopolitische Zäsur: den Übergang zu einer multipolaren Weltordnung. Diesmal präsentiert sich der russische Denker weniger als Theoretiker, sondern skizziert Maßnahmen für die politische Praxis. Hier mehr erfahren.
Nach „Das Große Erwachen gegen den Great Reset“, das sich mit Klaus Schwabs Great-Reset-Plänen auf der einen und dem Widerstand der Trump-Anhänger und insbesondere der QAnon-Bewegung auf der anderen Seite beschäftigt, ist nun mit „Eurasische Mission“ ein weiteres Buch des russischen Philosophen und Geopolitik-Experten Alexander Dugin in deutscher Übersetzung erschienen.
Das 280 Seiten starke Buch ist wie sein Vorgänger beim Arktos-Verlag erschienen, der in den letzten sechs Jahren vor allem dadurch bekannt wurde, dass er die Werke rechter europäischer Autoren wie Guillaume Faye oder Pentii Linkola in den USA vertrieben hat. An deutschen Dugin-Übersetzungen ist dort neben „Das große Erwachen gegen den Great Reset“ und der Neuerscheinung „Eurasische Mission“ auch die Grundlagenschrift „Die Vierte Politische Theorie“ erschienen.
Während Dugins vorherige Bücher in ihren Themen spezifischer waren, ist „Eurasische Mission“ wieder als allgemeines Grundlagenbuch zu philosophischen und politischen Position gedacht. Deswegen behandelt eines der ersten Kapitel auch die Entstehungsgeschichte der eurasischen Idee.
In Dugins neuem Werk werden bereits in russischer und englischer Sprache erschienene Texte erstmals für die deutschen Leser zugänglich gemacht. Auffällig und erfreulich zugleich ist, dass Dugin manch eher unverständlichen Beitrag weggelassen hat. Durch die Kompilierung der Texte bekommt man einen klareren Überblick über Dugins Ideen schafft – mehr noch, als es seine bisherigen Bücher vermochten.
Es gibt aber auch ein ganz neues Kapitel in „Eurasische Mission“, das Dugins grundlegende geopolitischen Konzepte auf die Ukraine-Krise anwendet. Dies ist auch die eigentliche Motivation hinter diesem Buch. Dugin sieht den Ukraine-Krieg nämlich als eine Art geschichtlichen Wendepunkt, an dem seine Vorhersagen für die Zukunft beginnen, sich konkret in der Realität zu manifestieren.
Landmächte versus Seemächte
Deswegen wollte er mit „Eurasische Mission“ ein neues „Einleitungsbuch“ in seine Philosophie publizieren. Seine Analyse beginnt Dugin wieder mit Halford Mackinder, einem britischen Geostrategen des 19. Jahrhunderts, der schrieb, dass sich das angeblich zivilisierte britische Weltreich in einem ewigen Konflikt mit den angeblichen Barbarenvölkern Russland und Deutschland befände. Alles ab der rechten Seite des Rheins sei nur kulturlose Einöde. Wie bei Konrad Adenauers berühmtem Zitat: „Hinter Deutz beginnt der Bolschewismus und hinter Kassel die Walachei.“
Von Mackinder ausgehend kommt Dugin dann zu Karl Haushofers und Carl Schmitts These des ewigen Konflikts zwischen Land und See. Dugin schreibt in „Eurasische Mission“, dass sich Amerikaner und Engländer seit Mackinder fürchteten, dass es eine Allianz zwischen Deutschland und Russland geben könnte. Deswegen wollten sie mit Polen, der Ukraine und anderen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts eine prowestliche Pufferzone aufbauen, die beide Reiche voneinander fernhalten würde. Die Bolschewisten hätten die Unabhängigkeit der Ukraine zuerst unterstützt, um den Zaren zu schwächen, dies jedoch wieder revidiert, nachdem sie selbst die Hegemonie innehatten.
Mit dem Ende der UdSSR hätten Mackinders Anhänger ihre Chance gesehen, Russland zu beseitigen und so weit zu zerstückeln, dass Russland verteidigungsunfähig werden würde. Man fing an, die Satellitenstaaten des Ostblocks an USA, Nato und EU zu ziehen und förderte antirussische Ressentiments in der Ukraine. Gleichzeitig hätte sich mit Putin jedoch ein immer stärker werdender Gegenpol zu diesen Plänen etabliert, und beide Seiten würden jetzt auf eine immer härter werdende Konfrontation zusteuern.
Wie funktioniert Eurasien?
Es fällt positiv auf, dass sich Dugin in „Eurasische Mission“ weniger mit Grundlagen der Existenz wie beim Thema Heidegger oder beim Thema Chaos beschäftigt, sondern eher mit der konkreten politischen Praxis. (Existenzphilosophische Fragen werden dafür deutlich stärker in Peter Töpfers Vorwort behandelt.) Deswegen bekommt man endlich mal einen äußerst genauen Überblick darüber, wie Dugins eurasischer Großraum eigentlich funktionieren soll.
Das neue Dugin-Buch beschreibt deswegen deutlich konkretere Handlungsvorstellungen als fast alle früheren Werke des russischen Denkers. Und es wird endlich klarer, was Dugin beim Thema Wirtschaft denkt. Positiv ist etwa hervorzuheben, wenn Dugin klarstellt, dass er keine totale Planwirtschaft wie in der DDR anstrebt. Das unterstellen ihm Kritiker – vor allem aus dem libertären Lager – gerne.
Vielmehr fällt auf, wie nah Dugin an Jean Thiriarts Denken ist, und dass es ihm vor allem darum geht, dass Militär und Politik Vorrang vor dem ökonomischen Denken haben sollten. So lange dies gewahrt sei, schreibt Dugin, könne es auch einen sehr starken freien und unkontrollierten privatwirtschaftlichen Sektor geben. Eine alles kontrollierende Zentralregierung soll es laut „Eurasische Mission“ ebenfalls nicht geben – sondern ein sehr föderales System, in dem einzelne Regionen frei über ihre Gesellschaft und Wirtschaft entscheiden dürfen. Deswegen ist „Eurasische Mission“ ein ideales Einsteigerbuch.
Ideales Einsteigerbuch
Erfreulich ist, dass auch Dugins neues Buch wieder einiges an Zusatzmaterial beinhaltet. Die Literaturliste enthält weniger Autoren als sein altes Arktogeia-Manifest, erklärt dafür jedoch kurz und knapp, wieso bestimmte Strömungen und Autoren wichtig sind und wie man mit ihnen umgehen sollte. (Beispielsweise erklärt er, dass auch die Neue Linke wichtig für die eurasische Idee sei, allerdings in konservativer Art neu gelesen werden sollte.)
Überraschend ist, dass er sich diesmal sogar auf Sigmund Freud bezieht. Zum Teil will Dugin ja Bewegungen und politische Autoren sammeln, die von Karl Popper zu „Feinden der offenen Gesellschaft“ erklärt wurden und daher nach Ansicht des vermeintlich liberalen Denkers aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen werden sollten. Freud kritisierte Popper, und Dugin greift nun die Freud’sche Psychoanalyse auf. Quasi nach dem Motto: „Der Feind meines Feindes Popper ist mein Freund.“
Für Theoriefreunde mögen Dugins diesbezügliche Ausführungen in „Eurasische Mission“ manchmal etwas zu kurz kommen, gerade mit Blick auf die philosophischen Grundlagenautoren. Besonders im Fall von Gilles Deleuze und Felix Guattari wäre es gut, wenn Dugin mal erläutern würde, was er an ihrem Denken für gut befinde, denn auf der anderen Seite hat er diese beiden Denker oft genug beschimpft und und ihre Ideen quasi zum Ende der Menschlichkeit erklärt.
Allerdings hat Dugin bereits in seiner „Vierten Politischen Theorie“ dazu aufgerufen, deren Konzepte zu übernehmen. Zu wünschen ist, dass der Autor hier künftig klarer differenziert, denn wenn er schon die Ansätze von Deleuze und Guattari zum Ursprung von Globalismus, Great Reset etc. beschreibt, diese Autoren jedoch ständig in Leselisten setzt, trägt dies zur Verwirrung bei und leistet scharfer Dugin-Kritik, wie es sie ja auch im rechten Lager gibt, zusätzlich Vorschub.
Insgesamt lässt sich sagen, dass „Eurasische Mission“ eingefleischten Kennern von Dugins Philosophie vielleicht nicht unbedingt viel Neues bietet. Dafür ist es das beste Buch zum Einstieg in Dugins Denken, die man sich vorstellen kann. Und es geht erstmals von der politischen Theorie in die politische Praxis – und zeigt auf, wie ein Eurasien nach Dugins Vorstellungen konkret aussehen könnte. Hier bestellen.