Wie zwei natürliche Verbündete zu Feinden gemacht werden – die fehlerhafte Geopolitik der derzeitigen rußländischen Führung
Textul original în limba română; English translation
Vorbemerkung Redaktion multipolaristen.de:
Die Nationalitäten- und Geopolitik der derzeitigen Rußländischen Föderation ist – wie die bolschewistische – suboptimal. Die meisten Völker stimmen einer Integration in das Reich sicherlich von sich aus zu, so wie auch Nachbarvölker geopolitisch einsichtsvoll sind und sich die besten Beziehungen mit Rußland wünschen. Gewalt, Arroganz und Nichtachtung sind hier also absolut unangebracht. Die Tschetschenen hätten z.B. ganz gewiß anders vom Verbleiben im Reich überzeugt werden können als mit Kriegen und False-Flag-Aktionen wie denen von Moskau, Buinaksk und Wolgodonsk, denen Hunderte russischer Menschen – darunter Frauen und Kinder – zum Opfer fielen (1) und die der False-Flag-Aktion 9/11 in nichts nachstehen.
Im folgenden Text geht es um ein weiteres Beispiel eines groben geopolitischen Fehlers: Was nur reitet die Russen, wenn sie die Einheit der traditionell pro-russischen und orthodoxen rumänischen Glaubensbrüder nicht anerkennen und sie sich diese dadurch als natürliche Verbündete abspenstig machen?
Juan Gabriel Caro Rivera kommentierte Vlads Text im Telegram-Kanal des Chisinau-Forums:
„Ich bin ein Befürworter von Großräumen und Reichen, aber eine der Bedingungen antiker Imperien war die Vielfalt und der Respekt vor den Sprachen und Kulturen ihrer Provinzen. Die erzwungene Russifizierung der Völker durch die Regierung der späten Romanow-Dynastie und in der UdRSS war eine schreckliche Erfahrung, in der die derzeitigen Probleme wurzeln.
Ich mußte oft lesen, dass die Sowjets viele Grenzen willkürlich in der Absicht gezogen haben, die vielen Völker dem Diktat Moskaus zu unterwerfen und daß sie sich zu Schiedsrichtern in den ethnischen Streitigkeiten machten. Diese willkürlichen Grenzziehungen sind heute die Ursache vieler Konflikte im postsowjetischen Raum, darunter die Kriege in der Ukraine, Georgien und Armenien. Das Problem der meisten rechten Verschwörungstheoretiker besteht darin, dass sie glauben, dass all diese Konflikte auf angelsächsische Einmischungen zurückzuführen sind. Diese heizen zweifellos die aktuellen Konflikte an und verschärfen sie. Aber diese Konflikte stammen aus einer viel früheren Zeit und wurden von der verwestlichten und liberalen Elite unter Peter dem Großen und dann vom bolschewistischen Atheismus verursacht.
An diesen Konflikten kann man gut das Problem der Hegemonie studieren. Zwar ist die angelsächsische Finanzelite in der Geschichte und bis heute die wichtigste treibende Kraft der Globalisierung, aber sie war nicht die einzige, die diese globalisierenden Prozesse entwickelt hat. Es gab Konkurrenten, die das gleiche wollten. Heute steht die angelsächsische Elite immer noch an der Spitze der Globalisierung, aber sie ähnelt den jüdischen Kabalisten, die jederzeit bereit sind, den Leviathan zu zerstückeln, um seine Überreste zu essen und ein anderes Monster zu füttern, um es in der Zukunft zu verschlingen. Sie haben es bereits mit dem britischen Empire gemacht und werden es sehr bald mit den Vereinigten Staaten tun. Andererseits könnte die Hegemonie in Zukunft eine andere Form annehmen: China, Frankreich, Russland, Indien usw. und damit die Prozesse der postmodernen Auflösung fortsetzen, mit denen wir heute konfrontiert sind.“
(Juan Gabriel Caro Rivera Rede auf der Global Conference on Multipolarity)
In einem Gespräch mit russischen Diskussionsteilnehmern auf dem Telegram-Kanal von Frau Sacharowa (2) zum Thema russisch-rumänische Beziehungen – insbesondere, was den anfangs des 20. Jahrhunderts ins bolschewistische Rußland transferierten, also gestohlenen rumänischen Goldschatz (3) und die moldauische Sprache anbelangt –, habe ich die folgenden Schlüsse gezogen, die meiner Meinung nach für beide Seiten von Interesse sind. Im Kern stelle ich fest, daß beide Staaten die Ansichten von Zar Peter dem Großen ablehnen – eine Schlussfolgerung, die eine weitere Ausarbeitung verdient, wenn Interesse daran gezeigt wird.
Leider ist für uns Rumänen die Tatsache nur allzu gut dokumentiert und bekannt, daß es im Dezember 1989 eine geheime sowjetische Invasion der Sozialistischen Republik Rumänien gegeben hat. Der Staatsstreich wurde von sowjetischen Agenten organisiert, und die militärische Operation wurde direkt von sowjetischen Generälen geleitet. Beteiligt waren mehr als 25.000 sowjetische Soldaten, Paramilitärs aus Ungarn und Jugoslawien sowie französische Spezialeinheiten. Die sowjetischen Truppen blieben danach bis Ende 1990 in Rumänien. Der Putsch erfolgte gemäß der Vereinbarung vom Bush-Gorbatschow-Gipfeltreffen in Malta (2.—3. Dezember 1989 (4)) und – noch direkter – gemäß den Gesprächen zwischen Gorbatschow und Mitterand einige Tage später, am 6. Dezember, in Kiew (5). Ceaușescu (der vor seiner Machtübernahme im Jahre 1965 als sowjetischer Agent rekrutiert worden war) hatte die UdSSR zugunsten der USA verraten, und seine politische Unabhängigkeit wurde vom Westen während des gesamten Kalten Krieges gegen die UdSSR genutzt.
Während des Kalten Krieges hatte Ceaușescu das Militärbündnis mit der UdSSR (Warschauer Vertrag) verraten, indem er die neuesten sowjetischen Waffen demontierte und diese im Tausch gegen Industrielizenzen an die USA schickte.
All dies erklärt sich aus der Tatsache, daß der moderne rumänische Staat im 19. Jahrhundert ausschließlich (!) mit dem Ziel gegründet worden war, ein antirussischer Staat zu sein. Dem zuvor ging die Eroberung eines Drittels von Moldawien durch das Rußländische Reich im Jahr 1812, das anschließend daran umfassend russifiziert und ethnisch gesäubert wurde. Moldawien ist aber das spirituelle Zentrum der Rumänen, und solange Rußland die Politik der „Moldauisierung“ der Rumänen fortsetzt, wird der Westen mit der Feindschaft der Rumänen gegen die Russen rechnen können.
Es sei erwähnt, daß die Unterzeichnung des Bündnisvertrages zwischen Peter dem Großen und dem moldauischen Woiwoden Dimitrie Cantemir insofern ein Unikum in der Geschichte der Diplomatie darstellt, als dieser ein Blankovertrag gewesen war, der auch bezüglich des Bündnisses mit der Walachei benutzt werden sollte. Mit anderen Worten: Peter der Große unterzeichnete das Pergament und überließ es Moldawien, jede gewünschte Klausel hinzuzufügen. Gibt es ein stärkeres Symbol für „natürliche gemeinsame Interessen“ als diese Geste? – Es ist ein unwiderlegbarer Beweis für die Dummheit der aktuellen russischen Politik gegenüber den Rumänen und die Dummheit der aktuellen rumänischen Politik gegenüber den Russen.
Darüber hinaus war Katharina die Große die erste ausländische Monarchin, die die Schaffung des Königreichs Dacia – ein alternativer Name für Großrumänien – unter orthodoxen Auspizien als Identifikationsmerkmal aller Rumänen befürwortete. Doch dieses Projekt wurde durch das (katholische) Habsburgerreich verhindert, das zwei wichtige rumänische Regionen (die Kleine Walachei bzw. Oltenien und die Bukowina) besetzte.
Tatsächlich hätte Großrumänien als natürlicher orthodoxer Verbündeter des Rußländischen Reiches eine tödliche Bedrohung für den Westen sowohl auf dem Balkan als auch in Mitteleuropa dargestellt. Der Westen kann ohne Mitteleuropa keinen Anspruch auf Weltmacht erheben – was der Hauptgrund für die Gründung der Europäischen Union und die Erweiterung der NATO ist. Ohne Mitteleuropa und ohne Rumänien sind Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Italien nur kleine Regionalmächte.
Daher nutzten die Westmächte die Tatsache aus, daß das Rußländische Reich die rumänischen Fürstentümer nicht vollständig erobern konnte (nur ein Drittel Moldawiens) und dann im Krimkrieg (1856) besiegt wurde. Sie förderten nun (mit Hilfe der Freimaurerei) die Schaffung eines modernen rumänischen Staates (1859) mit dem grundlegenden Ziel der Wiedervereinigung ganz Rumäniens, d. h. der Rückgewinnung des 1812 vom Zarenreich eroberten Teils Moldaus.
Der moderne rumänische Staat wurde also gegen Rußland geschaffen und vor allem, um die Pläne Peter des Großen und Katharina der Großen zu vereiteln, mit denen die orthodoxen Rumänen zu natürlichen Verbündeten gemacht werden sollten. Um es noch deutlicher zu sagen: Für das russische Volk ist das, was aus wirtschaftlicher Sicht das Bündnis mit Deutschland darstellt, identisch mit dem, was das spirituelle Bündnis mit dem rumänischen Volk darstellt. Aber wo das Wirtschaftsbündnis mit Deutschland vom Westen sabotiert wird (siehe Nordstream etc.), wird das spirituelle Bündnis mit den Rumänen (siehe den heiligen Petro Mohyla (6) den heiligen Paisie Velicicovschi (7) und andere) nicht vom Westen, sondern ausschließlich vom russischen Staat sabotiert! Dieser Aspekt wurde von Alexander Solschenizyn und Professor Alexander Dugin verstanden, aber die spirituelle Seite scheint für das russische Volk, das von seiner eigenen Militärmacht zu sehr fasziniert ist, keine große Rolle zu spielen!
Das Beharren des rußländischen Staates auf die linguistische Absurdität einer „moldauischen Sprache“ – die Sprache der Moldauer ist mit der der anderen Rumänen in Syntax, Morphologie und Semantik absolut identisch – stellt einen grundlegenden Angriff auf die Identität der Rumänen dar, mit dem eine feindliche Haltung der Rumänen gegenüber den Russen genährt und perpetuiert wird. Wir haben es dabei aber nicht nur mit einer linguistischen Absurdität zu tun, sondern darin liegt auch eine Verhöhnung der Intelligenz der rumänischen Muttersprachler, denn die Behauptung der Russen, es gäbe eine rumänische und eine moldauische Sprache, kommt der Behauptung gleich, weiß sei schwarz. Man muß schon über eine gehörige kriminelle Energie verfügen, die Offensichtlichkeit der sprachlichen Einheit aller Rumänen zu leugnen.
So wie der Westen das Russentum nicht versteht, so lange er nicht versteht, welche große Bedeutung die russische Sprache für die Russen hat, so verstehen die Russen nicht, wie einheitlich die rumänische Sprache ist (die einzige lateinische Sprache in einem Meer slawischer Sprachen) und wie wichtig sie unter dem Aspekt der Identität ist (zusammen mit der Orthodoxie, die von den atheistischen Sowjets grausam verfolgt wurde, aber ich kann auf dieses entscheidende Element hier nicht weiter eingehen).
Es reicht aus, wenn die Russen darauf bestehen, daß „Moldawier keine Rumänen“ sind, um die Politik Peters des Großen mit einem Schlage rückgängig und alle Rumänen auf der ganzen Welt zu Feinden der Russen zu machen.
Jedes Mal, wenn Frau Sacharowa, Herr Medwedew oder andere russische Beamte über die Moldauer als einer eigenen Ethnie reden, schanzen sie dem Westen ein gar nicht zu überschätzendes Kapital zu, mit dem der Westen dann von den Rumänen alles (!) abverlangen kann (denn nichts ist wichtiger als die Identität).
Würden die Sibirier beispielsweise damit einverstanden sein, daß man sie nicht Russen nennt? „Wie bitte, Sibirien gehört nicht zu Rußland? Worin unterscheiden wir Sibirier uns von anderen rußländischen Bürgern?“ Gibt es einen Preis, den die Sibirier dafür akzeptieren würden, nicht zum russischen Reich zu gehören? Natürlich nicht! Das Gleiche gilt für uns Rumänen. Ich bin Rumäne und lebe in Jasch (8), der Hauptstadt von Moldau, einem Teil Rumäniens (der nicht zur Moldauischen Republik, der ehemaligen Sozialistischen Sowjetrepublik Moldawien, gehört und manchmal auch als Westmoldau bezeichnet wird – Anm. d.Ü.).
Meine ethnische Identität ist Rumäne und meine regionale Identität ist Moldawier. Aber wenn Sie mir sagen, daß ich Moldawier und kein Rumäne bin, macht das sowohl die Tatsache zunichte, daß wir Söhne derselben Kirche sind, als auch die Tatsache der Verbundenheit und der Einheit aller rumänischen Fürstentümer, die von den russischen Königen und Königinnen und den rumänischen Herrschern gewollt wurden. Wenn ich aber diese meine grundlegende Identität verteidige, beschuldigen mich die Russen, ein Nationalist, ein Faschist oder Rechtsextremist zu sein!
Die rumänischen Heiligen, die von den Sowjets gefoltert wurden und in sowjetischen Gefängnissen starben, die „Verdammten“ (die Opfer des Pitești-Experiments (9)), die als Quellen heiliger Inspiration und als große Wundertäter bekannt sind – werden die vom rußländischen Staat etwa aufgrund der Trägheit der sowjetischen Politik als „Faschisten“ bezeichnet? Nochmal: Die Heiligen Reliquien unsere Märtyrer sind wie Weihrach und Myrrhe für uns; sie sind der Grund dafür, daß die Rumänen das christlichste Volk der Welt ist (98 Prozent). Ich glaube nicht, daß es eine schändlichere russische Politik gibt als diese!
Leider gibt es keine Anzeichen für eine Veränderung, weswegen wir Rumänen uns geistig auf Opfer im Krieg gegen Rußland einstellen, denn die Russen kommen, um uns unsere Identität abzusprechen, diese zu vernichten und unsere Heiligen zu beflecken!
In Rumänien kann keine pro-russische politische Strömung entstehen, solange wir seitens der Russen Angriffen auf unsere Identität ausgesetzt sind und solange die Heiligen als „Faschisten“ bezeichnet werden. Jedes neue Wunder, das Gott durch diese Heiligen gewährt, wird von den Rumänen als Bestätigung dafür verstanden, daß die Russen die antichristliche Politik der sowjetischen Behörden fortsetzen.
Deshalb sind alle rumänischen Männer verpflichtet, im Kampf gegen die Russen zu sterben. Wenn man dazu noch die Tatsache hinzufügt, daß die Rumänen über eine politische Elite verfügen, die völlig vom Westen beherrscht wird und absolut freimaurerisch ist, aber formal Respekt vor der Kirche vortäuscht, ergibt das ein Bild, das denjenigen, die in der Rußländischen Föderation die internationale Politik bestimmen, völlig unbekannt zu sein scheint. Die rumänisch-russische oder russisch-rumänische Feindseligkeit ist meiner Meinung nach das geopolitisch weltweit Dümmste, was es gibt. Es ist real und wird von beiden Seiten mit unzähligen Argumenten gerechtfertigt, aber das macht es nicht weniger dumm! Das ist die grundlegende Wahrheit unserer Beziehung. Es tut mir leid!
(1) Jean-Charles Deniau und Charles Gazelle: Blowing up Russia (2001) (Berater: Juri Felschtinski und Alexander Litwinenko): https://www.youtube.com/watch?v=qxTL3BTCIZQ; mit deutschen Untertiteln und Kommentaren der ExpressZeitungs-Redaktion: https://www.youtube.com/watch?v=fUDj9HWJpw4
(2) https://t.me/MariaVladimirovnaZakharova/7298
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Gipfeltreffen_in_Malta
(6) Petro Mohyla wurde 1996 zum ersten Heiligen der Ukrainisch-Orthodoxe Kirchen aller Konfessionen kanonisiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Petro_Mohyla
(7) https://ro.wikipedia.org/wiki/Paisie_Velicicovschi
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Ia%C8%99i
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Pite%C8%99ti-Experiment
Vlad-Mihai Agace (41 Jahre alt, verheiratet, 4 Kinder) – rumänischer Anwalt und Philologe, Blog: www.theodosie.ro (https://t.me /theodosieblog). Vlad Agaches Beitrag zum Chisinau-Forum 2023: Scheitern ist das Herzstück jeder Transformation