Israel Shamir im Gespräch mit Maria Poumier: Hamas, israelischer Terrorismus und der amerikanische Appetit auf den Weltkrieg (09.11.2023)

Video auf französisch

Vorstellung Israel Shamirs durch Maria Poumier

Israel Shamir, Sie haben 2001 spektakulär das Internet erobert als israelischer Journalist mit Verbindungen zur Linken und sehr geschickter Kämpfer für die Rechte der Palästinenser, der eine beispiellose Kühnheit in der Kritik der israelischen Gesellschaft mit der Aufdeckung von Gräueltaten in der jüdischen Geschichte seit der Antike verbindet, bis hin zum Gewicht der Israel-Lobby in der US-Politik und in unseren Medien.

All dies ist mittlerweile allgemein bekannt, wird von beiden Seiten zugegeben und gut weiterverbreitet, doch Sie waren der Pionier bei diesen Enthüllungen. Wir werden nie Ihren Artikel „Ode an Farris Odeh“ über den kleinen Palästinenserjungen vergessen, der dabei fotografiert worden war, wie er einen Stein auf einen riesigen israelischen Panzer warf. Das Kind, das Sie mit einem neuen Heiligen Georg verglichen, wurde wenige Tage später von der israelischen Armee erschossen.

Im Jahr 2023, als niemand mehr damit gerechnet hatte, ist die Intifada erneut ausgebrochen. Ihre ihre Gedankenfreiheit haben inzwischen viele Aktivisten übernommen, Sie haben die „Schlacht des Diskurses“ gewonnen, wenn nicht in den offiziellen Medien, so doch in der tatsächlichen öffentlichen Meinung, die sich jetzt als quasi sofortige Gegenreaktion im Widerstand gegen all die Massenlügen ausdrückt, die uns aufgetischt werden, sei es über Covid, Impfstoffe, die Ukraine, die Güte des jüdischen Staates usw.

Sie haben Israel verlassen, sich wieder in Russland, Ihrem Geburtsland, niedergelassen, Ihre Perspektive hat sich vergrößert, Sie stehen in ständigem Dialog mit den russischen Medien, und wir danken Ihnen, dass Sie dieses Treffen mit Ihren französischen Bewunderern akzeptiert haben, um uns noch weiter zu helfen, bei der Interpretation der Ereignisse weiter zu sehen als andere, mit der Weisheit, die das Alter Ihnen verleiht. Ihre Antworten auf unsere Fragen sind in ihrer Tiefe immer wieder beeindruckend, Sie verlieren sich nicht in Details, sondern geben uns Lektionen von allgemeiner Tragweite, danke!

Israel Shamirs Antworten auf unsere Fragen:

Was war der Auslöser für die Offensive der Hamas?

Die Palästinenser hatten das Gefühl, dass der Zeitpunkt extrem gefährlich war. Die Bedrohung rückte immer näher, Israel und die USA hatten den Plan, die Palästinenser völlig bedeutungslos werden zu lassen. Dies war der ultimative Inhalt der Abraham-Abkommen, die mit Saudi-Arabien unterzeichnet worden waren. Wenn diese Abkommen in die Tat umgesetzt würden, würden die Palästinenser nie wieder etwas zählen.

Ein weiterer Auslöser waren die wiederholten Angriffe auf den Tempelberg, d. h. die Esplanade der Moscheen, Al-Aqsa. Eine große Masse seltsamer Israelis, die von zionistischen Christen und amerikanischen Juden unterstützt werden, wollen Al-Aqsa unbedingt einnehmen, um die heiligen Stätten des Islams dem Erdboden gleichzumachen und stattdessen ihren jüdischen Dritten Tempel zu errichten. Die Palästinenser betrachten sich jedoch als die Hüter der Großen Moschee von Al-Aqsa und würden ihre heilige Rolle verlieren.

Seit der Zeit des Osloer Abkommens 1993 und dem Tod von Yitzhak Rabin [am 4. November 1995 von einem jüdischen Fanatiker ermordet] und Arafat [am 11. November 2004 in Clamart an einer mysteriösen Krankheit gestorben] ist Jerusalem nicht mehr die palästinensische Hauptstadt, deren Verwaltungssitz sich in Ramallah befindet.

Wofür steht die Hamas?

Die Einwohner hatten 2006 für die Hamas gestimmt, doch Israel und die USA hatten entschieden, dass nur Mahmoud Abbas die Führung von ganz Palästina übernehmen sollte, und zwar auf Lebenszeit. Abbas ist jetzt 88 Jahre alt, die Menschen würden ihn verjagen, wenn sie wählen dürften. Wie auch immer, Abbas kann praktisch nichts tun. Die israelischen Truppen sind überall, auf den Straßen von Dschenin, Ramallah und Nablus, die Soldaten verhaften die Menschen regelmäßig…

Warum haben sich die Palästinenser also erhoben?

Es ist klar, dass es praktisch unmöglich ist, Israel, dieses grausame Land, anzugreifen, da es vollständig von den USA unterstützt wird. Es war unerträglich für die Palästinenser, und sie hatten keine Wahl, der Aufstand hätte überall ausbrechen können, denn Israel wollte überall Massaker verüben, alles daran setzen, die Bewohner zu vertreiben und die Nakba 2 zu vollziehen.

Israels Ziel war es, einen Korridor von Indien über den Persischen Golf und Israel nach Europa unter Umgehung des Iran und Syriens zu schaffen, als Alternative zu Chinas Handelsroute „Gürtel und Straße“ [auf der Route der alten Seidenstraße], eine „freie“ Passage, die von Palästinensern geleert wurde; denn dieser Korridor sollte durch Gaza führen.

Man muss es noch einmal sagen: Die Palästinenser hatten keine Wahl, und da es unmöglich war, von Ramallah aus etwas zu unternehmen, musste die Hamas die Initiative ergreifen. Die Hamas ist „liberaler“ als man denken könnte, sie ist offener. Sie haben die Macht in Gaza übernommen und es geschafft, populär zu bleiben. Sie haben versucht, die Belagerung des Konzentrationslagers in Gaza zu durchbrechen, und es ist ihnen gelungen. Das ist eine außergewöhnliche Leistung, und wir müssen lange stolz darauf sein, die Größe dieses Ausgangs in Erinnerung behalten, ein enormer Sieg für die Palästinenser.

Es ist durchaus üblich, dass Juden herumbrüllen und behaupten, ihre Feinde würden Gräueltaten begehen. Das ist einfach nur Propaganda. Während des Ersten Weltkriegs behaupteten sie, dass die Deutschen belgische Babys auf ihre Bajonette spießten, bevor sie sie in Öfen frittierten. Jetzt behaupten sie, Palästinenser hätten jüdische Babys gefangen genommen und sie in der Mikrowelle gegart. Schwer vorstellbar, da es in Gaza keinen Strom mehr gibt. Zu ähnlichen Horrorgeschichten gehört auch die Geschichte von den 40 geköpften Babys.

Es gibt viele ähnliche seltsame Geschichten. Während des Zweiten Weltkriegs hieß es, die Nazis würden aus den Juden Seife machen. Das ist ein Standard-Modus Operandi in der jüdischen Geschichte, ein Klassiker.

Was die Palästinenser wollten, war die Freilassung der Tausenden Gefangenen in israelischen Kerkern. Die Idee war, sie gegen ihre Gefangenen auszutauschen. Aber Israel beschloss, alle zu töten, um nicht verhandeln zu können; sie nennen es die Hannibal-Direktive: Wenn jemand gefangen genommen wird, müssen die Truppen die Geisel hinrichten, damit sie niemanden zum Tauschen haben.

Die Palästinenser waren zu einem Gefangenenaustausch bereit, aber für die Israelis müssen die Bewohner des Gazastreifens, die Flüchtlinge aus anderen Teilen Palästinas in der zweiten oder dritten Generation sind, in dieser Enklave bleiben und dürfen sie nie verlassen. Allenfalls dürfen sie vertrieben werden, in einem neuen Massenexodus, ins Exil nach Ägypten oder Frankreich geschickt werden, warum nicht.

Das Problem ist, dass die europäischen Politiker sehr pro-israelisch und pro-amerikanisch eingestellt sind. Sie haben bereits zwei Flugzeugträger und 5.000 Marinesoldaten zum Kampf in Israel geschickt. Aber anscheinend weiß die israelische Armee nicht mehr so recht, wie sie kämpfen soll, weil sie [seit dem Sieg der Hisbollah im Libanon 2006] schon lange keinen Feinden mehr auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen.

Zwar haben sie die Unterstützung der USA, die Truppen schicken, und Europas, das Waffen schickt [aber das reicht nicht]. Sie haben bereits so viele Bomben über Gaza gezündet, es ist empörend, es entspricht dem Doppelten der Hiroshima-Bombe. Es ist schwer zu erraten, was als Nächstes kommt…

Es gibt noch einen zweiten Aspekt in der Situation. Israel ist durch den Konflikt zwischen Netanjahu und seiner Opposition in die Enge getrieben. Keine der beiden Seiten ist besonders sympathisch, sie sind gleichermaßen schrecklich.

Aber es sieht ganz so aus, als wollten Netanjahus Feinde der Hamas unter die Arme greifen, um eine Bresche in die Verteidigung der Mauer zu schlagen, die den Gazastreifen umgibt. Gestern veröffentlichte die Zeitung Ha’aretz, die in Israel am meisten gelesen wird, einen entsprechenden Artikel, und viele Leute glauben das. Hier ist der israelische „Deep State“ am Werk, die wahre tiefe Macht, die Netanjahu von der Macht vertreiben will.

Auf der inneren Ebene hat Netanjahu keine Pläne. Was auch immer er tut, er wird wahrscheinlich vor Gericht gestellt und verurteilt werden, vielleicht wegen der Menge an Palästinensern, die er hat erschießen lassen, oder wegen irgendwas anderem. Man wird ihn sicherlich nicht bedauern, seine Zukunft interessiert niemanden außer ihm selbst, aber sicher ist, dass er sich nicht lange die Hände reiben wird mit dem, was jetzt passiert.

Es ist eine Situation, in der die ganze Welt etwas tun kann: den Palästinensern helfen, ihr Leben retten, die israelische „Serial-Killer“-Maschine stoppen, auch wenn das nicht einfach ist.

China und Russland sowie der Iran unterstützen die Palästinenser wirklich, sind aber nicht wirklich daran interessiert, für sie in den Krieg zu ziehen. Russland ist zu sehr mit der Ukraine beschäftigt und kann keine zweite Front eröffnen. Der Iran muss interne Probleme lösen und hat auch nicht allzu viel Lust dazu.

Aber es ist nicht unmöglich, dass sich eine Menge Dinge zu ändern beginnen… Wait and see: Beobachten und abwarten.

In den arabischen Ländern ist die Bevölkerung für die Palästinenser, aber es gibt einen Unterschied zu den Regierungen, die im Grunde genommen vor allem wollen, dass alles so weitergeht wie bisher.

Israel hat Ägypten eine unwahrscheinliche Summe, Billionen von Dollar, angeboten, damit es die Palästinenser aufnimmt. Präsident Sissi würde gerne ein paar Milliarden kassieren, aber das Problem ist, dass das ägyptische Volk Sissi nicht besonders mag. Wenn sie in Massen nach Ägypten kämen, würden die Palästinenser zum bewaffneten Arm der Opposition gegen Sissi werden.

Wie dem auch sei, die Palästinenser haben kein Interesse daran, nach Ägypten auszuwandern. Sie sind stur, haben einen immensen Willen und werden dafür kämpfen, in ihrer Heimat zu bleiben, wie es ihre Vorfahren immer getan haben.

Der türkische Präsident unterstützt die Palästinenser und ist auf einer Linie mit seinem Volk, das sich daran erinnert, dass Palästina einst Teil des Osmanischen Reichs war. Aber Erdoğan hat nichtsdestotrotz keine große Lust auf einen Krieg…

Die einzigen, die wirklich Lust haben, in den Krieg zu ziehen, sind die USA, die neben den beiden Flugzeugträgern bereits ein Atom-U-Boot geschickt haben. Sie haben vom Ersten und Zweiten Weltkrieg enorm profitiert und hoffen, dass sie auch vom Dritten Weltkrieg profitieren werden.

Auch die Juden hatten große Lust, am Krieg gegen Deutschland teilzunehmen, und wollen wieder mitmachen. 

Uns bleibt nicht viel anderes übrig, als uns für die USA in den Dritten Weltkrieg zu stürzen.

Warum hecken die Israelis nicht ein paar gute, gezielte Anschläge auf die Hamas-Führer aus, die sich in Katar in Sicherheit bringen?

Sie tun bereits alles in Gaza, was sie können, es gibt viele militärische Führer in Gaza. Während des Zweiten Weltkriegs, als Frankreich besetzt war, hatte sich Charles de Gaulle in London niedergelassen, das ist eine übliche Situation in Kriegen.

Gibt es in den USA eine echte Opposition gegen jüdische Kriege?

Dort denken die Menschen, dass die Banken nicht mehr so mächtig sind wie früher, sie haben den Eindruck, dass die jüdische Macht schrumpft.

Und in Russland ist das tatsächlich der Fall, weil diese Banker und andere die Ukraine gegen Russland unterstützt haben und bereits in großer Zahl ausgewandert sind, nach Israel oder in die USA. Ihre Präsenz in Russland hat sich also konkret verringert.

In Europa ist es wie in den arabischen Ländern: Die Regierungen unterstützen die Juden, und die Völker unterstützen die Palästinenser.

Das war schon im Mittelalter so: Die Könige waren immer für die Juden und beschützten sie. Erinnern Sie sich, wo die Ghettos, die „Judenhäuser“, waren: in Sevilla, Spanien, oder in Frankreich, man findet sie immer noch ganz in der Nähe der königlichen Paläste. Die Juden sind wieder mit der Macht und gegen das Volk.

Es ist ziemlich schwer zu sagen, ob wir gewinnen werden oder nicht…

Meine Botschaft an die Europäer jüdischer Herkunft, was auch immer sie im Moment erleben oder sagen mögen? Dass es an der Zeit ist, sich der Kirche zuzuwenden, sich dem Christentum zuzuwenden.

Die jüdische Religion ist so voller Vorurteile, Selbstvergötterung der Juden, Verleugnung der Menschlichkeit anderer Völker. Wenn Sie sich im Moment als Jude betrachten, werden Sie sich sehr bald als Christ betrachten können und das ganze jüdische Geschwätz vergessen. Weil es die Kirche ist, die das neue Israel ist, haben Sie keinerlei Bedarf mehr an dem alten Israel. Und das ist alles!

Und wenn Sie das nicht so empfinden, sondern den Kampf der Palästinenser für ihre Freiheit unterstützen, wird Ihnen das auch Ihre Freiheit zurückgeben.

Sollte Frankreich die EU verlassen?

Ja, jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt, um die Trennung zwischen Europa und den USA zu vollziehen. Sie sind extrem infiltriert und vom jüdischen Geist durchdrungen geworden. Es ist eine gute Idee, sie allein unter sich zu lassen, auf der anderen Seite des Ozeans.

Frankreich könnte ganz anders sein, es wird im Nahen Osten und auch in Russland sehr geliebt. Es ist gut, sich von den USA scheiden zu lassen und ein besseres Leben zu finden, indem man sich auf sich selbst zurückzieht.

Jeder sollte die Europäische Union verlassen, eine „Union“, in der nicht gewählte Leute, von niemandem gewählt, das Sagen haben. Und so oder so wird es geschehen, die EU befindet sich in einem Prozess des Zerfalls.

Ich glaube nach wie vor an die Ein-Staaten-Lösung, in der die Palästinenser die gleichen Rechte haben wie alle anderen und in der alle zusammen und in Frieden leben können.

Aber wenn alle nach einer „Zwei-Staaten-Lösung“ rufen, warum nicht, das will Präsident Putin ja auch. Israel will sie jedenfalls nicht, keine der beiden Lösungen: weder die eine noch die andere.

Ein einziger Staat wäre das Beste, aber man muss zwei Ebenen unterscheiden: das, was wir uns wünschen, und das, was möglich ist. Die Realität ist die Besetzung, das ist das, was wirklich gelebt wird. Daher ist die Frage, ob ein Staat oder zwei Staaten nicht wirklich wichtig.

In Israel gibt es keine wirkliche Bewegung für die Ein-Staat-Lösung, es gibt vereinzelte Personen, die das wollen, und vor allem die israelische kommunistische Partei, die mit den Palästinensern teilen will. Aber es gibt einen neuen Krieg gegen die israelische Kommunisten: 70 Kommunisten wurden in den letzten Tagen festgenommen.

Und es gibt ein neues Gesetz: Jeder, der zum Frieden aufruft, muss mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen, selbst wenn dies nur durch einen Facebook-Post bekannt wird.

Israel ist ein Terrorstaat, der tötet, der seine Bevölkerung verhaftet, und all das beruht auf der Macht der Vereinigten Staaten.

Ja, ich habe wieder eine gewisse Hoffnung – scheinbar. Denn ich vertraue auf Gott, er wird einen Weg aus der Krise finden, mit unserer Hilfe.

Die Palästinenser sind da, sie haben viele Tote, aber die Israelis töten seit Jahren jeden Tag Palästinenser. Die Palästinenser sind stärker als ihr Leid, es gibt nichts Neues unter der Sonne.

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Israel Shamir, Maria Poumier