Kaum herrscht fünf Wochen lang Krieg, läßt sich Selenskyj auch schon herbei, über eine Neutralität der Ukraine zu sprechen – eines der zentralen Kriegsziele Rußlands. Kiew hätte das auch früher haben können, ohne sich Kriegsschäden in Höhe von rund 500 Milliarden Dollar (nach anderen Angaben: 100 Milliarden) und Tausende Tote einzuhandeln. Der Fall zeigt: natürlich ist Krieg eine Option der Politik, heute wie eh und je. Die USA und Konsorten haben es in Jugoslawien, im Irak, in Libyen im übrigen nicht anders gehalten, nahmen aber anders als Rußland vom ersten Augenblick an keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Das Desaster in der Ukraine muß jetzt der Kiewer „Heldenpräsident“ („BILD“) mit sich und seiner Bevölkerung ausmachen.
Nur: das Kapitel Ukraine dürfte auch nach einem Ende des aktuellen Waffenganges kaum abgeschlossen sein. Die „unabhängige“ Ukraine hat sich nicht nur schwerstkorrupter „failed state“ erwiesen, sondern darüber hinaus als unfähig, eine lebensfähige, für ihre gesamte Bevölkerung und insbesondere für ihre ethnischen Minderheiten akzeptable Ordnung zu schaffen. Terror und ethnische Diskriminierung gehören bis heute zum Alltag. Das interessiert ihre westlichen Unterstützer aber nicht die Bohne.
Ein historischer Präzedenzfall drängt sich auf: die Ukrainer sind ersichtlich ebenso unfähig, einen tragfähigen, von allen akzeptierten Staat zu schaffen, wie die Tschechen nach dem Ersten Weltkrieg. Diese schikanierten ihre nationalen Minderheiten, die Slowaken, die Deutschen, die Ungarn, in ähnlicher Weise, wie es heute in der chauvinistisch verseuchten Ukraine mit den Russischstämmigen, den Ungarn, den Bulgaren der Fall ist. Die konsequente Folge war die Annullierung der Tschechoslowakei 1938/39. Will sagen: in einer künftigen Friedensordnung, in der die Ukraine ihren Platz hat und ethnisch halbwegs homogen ist, wird das Land möglicherweise sehr viel kleiner sein müssen als das derzeitige NATO-Protektorat.
Die Situation befeuert längst Überlegungen über neue Grenzziehungen, nicht zuletzt in Polen. Zwei denkbare Modelle sind hier wiedergegeben. Die obere Karte veröffentlichte der ukrainische Ex-Parlamentsabgeordnete Ilja Kiwa dieser Tage auf Telegram. Sie wurde auch im polnischen Fernsehsender TVP1 gezeigt. Kiwa sagte, die Karte spiegle die Bereitschaft des Westens wider, die Grenzen der Ukraine zu ändern. Die ukrainischen Regionen Lwow, Iwano-Frankowsk, Wolhynien, Rownensk und Tarnopol sind demnach als Teil Polens dargestellt. Die Regionen Odessa, Nikolajew, Cherson, Saporoschje, Dnepropetrowsk und Charkow sowie die Donbass-Republiken sind als als zur Russischen Föderation gehörig gekennzeichnet. Rumänien ist die Region Tschernowitskij zugeordnet und Ungarn die Region Sakarpatje. Einer unabhängigen Ukraine würden nur die zentralen und nördlichen Regionen des Landes verbleiben.
Noch ist das alles Spekulation. Rußland verfolgt derzeit keine Annexion ukrainischen Territoriums (wohl aber den Anschluß und die Befriedung des russischen Donbass). Viel wird vom Verhalten der künftigen Regierung in Kiew abhängen. Zweifellos positiv ist, daß die Unrechtsordnung von Jalta mit einem Mal wieder zur Diskussion steht. Der selbstverursachte Zerfall der EU wird sein Übriges tun. Das alles eröffnet spannende Perspektiven.
(29.03.2022)
Originalort des Facebook-Beitrages mit Diskussion