Ein Beitrag zu „konservativem Materialismus“ (Lucien Cerise1) und deutsch-französischem Austausch
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Worin besteht die Bedeutung von Ideologie? Mich beschäftigt das Ideologische insbesondere im Zusammenhang mit meiner Kritik des Symbolischen bzw. als dessen Ausdruck. Das Symbolische, das niemals Sinn stiften, schaffen oder auch nur ergeben kann, basiert auf dem Vorhandensein von Vorstellungen und Geistigem – es bedient sich des Ideellen. Ohne dieses Vorhandensein hätten wir ein Problem, Houston, und die pharmazeutische Industrie wär tatsächlich der alleinige, zumindest absolut dominierende player, dermaßen sinnlos ist das Leben des um seinen emotionalen Kern beraubten allgemein zivilisierten Menschen.
Doch die Ideologie ist mehr, sie hat auch eine rationale Seite. Sie spielt eine gewisse und unbestreitbare Rolle im Leben, insbesondere im politischen Leben bezogen auf das Innere von Gruppen als auch auf Geschehen zwischen diesen Gruppen (inter-national).
Es ist so, daß ein Geist nun einmal vorhanden ist, daß sich Gedanken gemacht werden und daß Ideen tatsächlich zu allem dazugehören. Sie scheinen von Anfang an dazuzugehören, das Materielle und das Ideelle gehören offenbar zu einem Ganzen. Manche gehen sogar so weit zu sagen, daß alles von den Ideen kommt. Die sog. Idealisten haben tatsächlich gute Argumente, wenn sie z.B. sagen, daß ein Haus entworfen, bevor es gebaut wird. Aber aus dieser richtigen Beobachtung heraus schließen sie irrigerweise, jegliche Idee wäre von Bedeutung, hätte eine bestimmte Macht, würde etwas bewegen usw. Der Vergleich zwischen der Idee eines Baumeisters – die tatsächlich eine Stimmigkeit und eine Übereinstimmung mit den Realitäten hat, da das Haus ja über viele Jahrhunderte stehen bleibt, und die Macht der baumeisterlichen Idee insofern unleugbar ist – und der Idee eines dahergekommenen geschwätzwissenschaftlichen Ideologen, der der Meinung ist, seine Idee sei das A und O für den Erfolg oder das Überleben seiner Gruppe, ist sehr weit hergeholt. Dieser Ideologe hat tatsächlich im wahrsten Sinne die Stirn, Wohl und Wehe der Welt von seinem spirituellen Erzeugnis, d.h. seiner Schnapsidee abhängig zu machen.
Aber nun spielen, wie gesagt, Ideen und Ideologien tatsächlich eine Rolle im Leben, besonders in den Auseinandersetzungen (übrigens auch in denen verschiedener Persönlichkeitsanteile in einem Individuum, nicht nur zwischen den Individuen und zwischen den Gruppen). Wie nun das?
Wir gehen in der Tat nicht ganz so weit wie Laurent Ozon, den ich in meinem Buch „Pan-Agnostik“ wie folgt wiedergebe: „Ideen und Ideologien haben so gut wie nichts mit Revolutionen zu tun haben. Diese sind grundsätzlich eine Sache von Gemütslage und Stimmung (humeur) – eine passion collective, eine ‚Kooperation in vitalem Streß‘. Der Hauptgrund für eine Revolution sei immer eine ‚Bedrohung‘ (menace). Erst wenn eine aus dem Bauch heraus empfundene Gefährdung der Massen – die sich immer auf etwas ‚Materielles‘, zumindest sinnlich Wahrgenommenes, bezieht – ein gewisses Maß überschritten hat, setze sich die Beseitigung des Bedrohenden in Gang. Keine Ideologie oder Religion könne diesen Vorgang beschleunigen – aber auch nicht aufhalten.“2
Ich denke, wir sollten die Rolle der Ideologie nicht unterschätzen. Tatsächlich erlangen Ideen und Ideologien plötzlich Bedeutung und werden auch zur materiellen Gewalt – und zwar sogar welcher Gewalt! Aber das beginnt schon vor der Revolution, nicht „erst zur Abstimmung der revolutionären Handlungen“, in denen, so Laurent Ozon, „Ideologeme als Zeichen der Verständigung zum Umsturz, aber auch bereits zum Aufbau einer neuen kollektiven Ordnung eine Rolle spielen“3.
Die Ideologie geht einher mit einer soziale Bewegung oder begleitet diese schon jahrzehntelang, bevor es zu einem realen Geschehen kommt. Dann aber – und jetzt wird es interessant – führt sie sogar ein ganzes Volk an! Von den ungeheuer zahlreichen Ideen, Vorstellungen und Vorschlägen an das Volk kommen allerdings nur extrem wenige durch und werden materiell relevant. Es ist so wie bei den Samenzellen und der einen Eizelle. Die allermeisten verpuffen in der absoluten Bedeutungslosigkeit, für wie wichtig sie sich selbst auch halten mögen.
Jeder Ideologe hält sich für den Retter, der etwas – das einzig richtige – auf die Beine stellen kann. Komischerweise stellt am Ende aber einer der ihren tatsächlich etwas auf die Beine. Einer macht das Rennen: einer von Millionen, die alle in Bibliotheken verschwinden, in die er eigentlich genau so gut hätte verschwinden können.
Wieso macht gerade diese Ideologie das Rennen? Was zeichnet sie vor den anderen aus, was hebt sie aus diesen heraus?
Hier kommen wir auf den Baumeister zurück: Die Ideologie sollte eine gewisse Übereinstimmung mit den Realitäten haben. Das ist längst nicht das einzige Kriterium für ihren Erfolg, und etliche wirklichkeitsfremde und aus der Luft gegriffene Ideologien waren auch erfolgreich – besonders in schlimmen Zeiten, in denen die Menschen in ihrer Not offen für haarsträubendsten Unsinn werden. Aber es ist schon von Vorteil, wenn der Ideologe Rücksicht auf die materiellen Dinge des Lebens nimmt.
Findet der Ideologe also Anklang in der sozialen Schwungmasse – resoniert diese mit ihm, gelingt es ihm, sie in Schwingung zu versetzen –, dann hilft ihm das dabei, sich durchzusetzen.
Aber die Idee muß auch Anhänger in der sozialen Vorhut finden. Und diese ist sehr kritisch. Hier muß der Ideologe für die Erfüllung weiterer Erfolgskriterien sorgen, und diese liegen in der ideellen Kohärenz, in der gedanklichen Nachvollziehbarkeit und in der Logik. Die Ideologie sollte in sich stimmig sein. Viele materielle Dinge sollten sich in der Ideologie wiederfinden, aber auch in ihren Zusammenhängen untereinander abgebildet werden. Ein übertriebenes, perfektes System wie das hegelianisch-marxistische, ist aber nicht unbedingt von Vorteil, weil zwar allumfassend, aber unnötig kompliziert. Die Logik kann jedenfalls Wunder bewirken. Ein Zweifler kann ein Heureka-Erlebnis haben nur aufgrund einer Präsentation von Logik, völlig losgelöst von einem irdischen Bezug ihrer Elemente. Beliebt sind auch sog. Beweisketten bei der Integration von Zauderern und Zögerern in die ideologische Bewegung. Der sog. Idealismus im nicht-philosophischen Sinne spielt auch hinein; oft helfen auch materiell spürbare Angebote oder Drohungen, die Leute zur Räson und auf Linie zu bringen.
Also insofern messen wir der Ideologie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Wir müssen sie ernst nehmen, ja, wir müssen sie bejahen und obendrein sogar auch noch zu ihr beitragen, wenn wir gewisse soziale und intersoziale Bewegungen auslösen, befördern oder behindern wollen. Die Ideologie dient der Absprache unter Revolutionären, sie ist eine Art Signalsystem. Der Ideologiekritiker kann in seinem Elfenbeinturm sitzen bleiben, aber dann verabschiedet er sich aus dem sozialen Geschehen und von jeder Aktion, und das will er ja auch nicht. Ideen spielen tatsächlich eine Rolle, wie aberwitzig das auch in Kontrast zur materiellen Welt erscheinen mag. Wir müssen, auch wenn wir es für müßig halten und den bewußten Gang in den Irrsinn nicht mögen, uns an der Ausarbeitung einer Ideologie beteiligen, weil es ohne eine Ideologie einfach nicht funktionieren wird.
Aber die ganze Sache über Otto Gebühr ernst zu nehmen, kann natürlich auch nicht Sinn der Sache sein. Die Tassen müssen schon im Schrank bleiben.
2.1
Und in der Bejahung der Beschäftigung mit Ideologie stoßen wir dann auf eine Diskussion wie die zwischen den überintelligenten und höchstgebildeten Gelehrten Youssef Hindi und Laurent Guyénot am 29. Januar 2024 unter Anleitung von Paul Verbeke.4
Hier haben wir ein Beispiel dafür, wie nicht nur die gegnerische Ideologie messerscharf auseinandergenommen wird und wie man sich bei dieser „Dekonstruktion“ gegenseitig konstruktiv korrigieren und helfen kann. Sondern auch dafür, wie die Verständigung von Revolutionären über religiöse Unterschiede hinweg erhöht, d.h. eine eigene gemeinsame Ideologie gefunden und ausgebaut werden kann. (Hindi ist Moslem, Guyénot weiß ich nicht, jedenfalls kein Christ, setzt sich aber für eine Annäherung des Katholizismus an die Orthodoxie ein5.) Und das alles findet auf solch hohem Niveau statt, daß selbst ein Nicht-Ideeller daran Gefallen findet.
Auf der einen Seite haben wir ein in seiner Materialität unübersehbares Phänomen wie die Auslöschung der Gasa-Bevölkerung samt beabsichtigter Vertreibung der Restpopulation – sozusagen eine Explosion an Materiellem. Das allein sollte ein Handeln von – nennen wir sie hier – „humanistischen“ Teilen der Weltbevölkerung in Gang setzen. Aber auf der anderen Seite kommen wir nicht umhin, Ideologie zu betreiben oder uns zumindest auf das Terrain der Ideen zu begeben, weil diese ganz offensichtlich in der Auseinandersetzung der Kriegsparteien eine wichtige Rolle spielen. Warum kommen wir nicht umhin? – Weil die eigentlich erwartbaren emotionalen Reflexe zwar nicht ausbleiben, aber nicht in ausreichendem Maße geschehen. Der ideologischer Kampf ist notwendig, solange nicht ausreichend Leute einfachste Ungerechtigkeiten fühlen können.
Wir können bedauern, daß es soweit kommen muß und wir uns mit Ideellem, Ideologien und Religionen befassen müssen und das Wahrnehmen eines sog. schreienden Unrechts allein nichts bewirkt – selbst wenn es sogar deutlich im Ideellen ankommt und von ranghohen Juristen als schweres Verbrechen verurteilt wird –, aber leider ist es so. Wir müssen auf die Ebene des Ideellen gehen, wir müssen in die Niederungen von historischen und anderen Rechtfertigungen hinabsteigen und dort Schwachstellen der gegnerischen Ideologie ausfindig machen. Wir müssen Nichtlogisches und Unkohärentes sichtbar machen, so daß die Landsleute endlich merken und anerkennen, daß etwas nicht stimmt. Wir sollten dabei aber nicht vergessen, daß das eigentlich nicht normal ist und nicht nötig sein sollte.
2.2
Worin besteht jetzt genauer die Detektions- und Sektionsarbeit von Youssef und Laurent in der ideologischen Waffenfabrik? Welchen Waffen gegen die Selektokratie werden dort geschärft?
Die Diskussion zwischen Hindi und Guyénot beginnt mit einer grundsätzlichen Kritik an Alexander Dugin bzw. an dessen ideologischer Schwachstelle. Dessen Waffe sei an dieser Stelle stumpf, finden beide. Für Dugin sei der Zionismus nämlich lediglich „der jüdische Satanismus, der Satanismus im Inneren des Judaismus, der dessen Grundlagen auf den Kopf stellt“. Der Zionismus verstosse, so referieren die beiden Dugin, fundamental gegen den Judaismus. Dagegen halten Hindi und Guyénot den Zionismus für tief im Judaismus verwurzelt. Das Biblische suche sich seinen Weg wenn nicht über den Talmud, dann über andere Zwischenstationen wie Kabbala und Atheismus hin zum Zionismus; diese feinen ideengeschichtlichen Verästelungen werden von Hindi und Guyénot in ihren zahlreichen Büchern gut nachgezeichnet.
An dieser Tiefe der Kritik wird Dugin wohl gehindert, weil das Judentum in Rußland viel zu mächtig ist und er mit ähnlichen Repressalien, nämlich Haft, zu rechnen hätte, wie sie westeuropäischen Judäokritikern widerfahren: Hervé Ryssen, Ursula Haverbeck, Horst Mahler oder erst gestern wieder Marianne Wilfert6. Noch befinden sich die Gelehrten Hindi und Guyénot in Freiheit. Aber ihr Kollege Pierre Hillard wird bereits juristisch angezählt, weil er in einem Vortrag auf der Sommeruniversität dar katholischen Vereinigung Civitas im Juli 2023 gesagt hat, daß „die Einbürgerung der Juden im Jahr 1791 die Tür für die Einwanderung geöffnet“ habe, „denn“, so Hillard, „sobald man den Juden die französische Einbürgerung gewährt, kann man sie früher oder später nicht den Buddhisten, Muslimen usw. verweigern.“ Civitas ist aufgrund dieser Äußerungen Hillards wenige Wochen später, am 4. Oktober 2023, von Innenminister Gérald Darmanin aufgelöst worden. Pierre Hillard befindet sich noch in Freiheit – im Gegensatz zu Vincent Reynourd, der gerade von Schottland an Frankreich ausgeliefert wurde, obwohl seine Äußerungen nach schottischem Ritus, äh Recht nicht strafbar sind. Wenn es um Juden geht, wird das Recht schnell mal ausgehebelt.
Für Hindi gibt es im Gegensatz zu Dugin nur einen einzigen zionistischen Verstoß gegen den Judaismus: Die Zionisten widersetzten sich dem talmudischen Verbot, die Ankunft des Messias zu beschleunigen und innerhalb einer Ummauerung auf den Heiligen Boden zu ziehen.
Ansonsten befände sich der Zionismus aber – was Dugin übersähe – in totalem Einklang mit dem religiösem Judiasmus, auch wenn er sich schließlich in „laizisierte“ Form durchgesetzt habe (15:50). Später hätten die atheistischen Zionisten – wie Ben Gurion und Mosche Dajan – nur noch Sprüche aus der Bibel geklopft und diese als „politisches und militärisches Handbuch“ betrachtet – nicht verwunderlich, ist die Bibel doch das Geschichtsbuch der Juden, zu dem die Zionisten nun ein paar Kapitel hinzufügen. Die Apokalyptik werde, so Hindi, im Talmud durch besagtes Verbot noch eingehegt, sie breche sich ab dem 3. Jahrhundert – wo das Widersetzen begann und also die Wurzeln des Zionismus liegen – allerdings Bahn; die explosiv-messianistische Pandorabüchse werde da nach und nach geöffnet (12:20). Die Talmudisten hätten lange gegen die Messianisten angekämpft, sogar in ihrer großen Mehrheit noch weit ins 20. Jahrhundert hinein – und sogar heute noch kämpft eine Minderheit gegen die Regelverstoßer.
Der Hindi’schen These von der „Laizisierung“ widerspricht Guyénot jetzt (16:40, 18:40, 20:05) und „als Religionsanthropologe in vielen Büchern“ – meines Erachtens zu recht. Er verweist auf den rein völkischen und weltlichen Charakter der Bibel; eine Verweltlichung der jüdischen Religion sei also gar nicht nötig bzw. von vorn herein ausgeschlossen gewesen. An der Stelle ist also der Gedanke Hindis nicht kohärent, und er beeilt sich, die Kurve zu kriegen, indem er auf den streng „materialistischen“ Charakter der jüdischen heiligen Schriften verweist. Guyénot nennt dann aber Hindis „materialistische Religion“ ein Oxymoron – was die Juden freilich auch nicht als ein solches betrachteten (25:31).
Einig sind sich Hindi und Guyénot darin, daß zur Dekonstruktion des Zionismus auch unbedingt die Widerlegung der These von Israel als „westlichem Vorposten im Nahen Osten“ gehört, wie sie vor allem von Juden wie Chomsky vertreten wird: Wir sind’s nicht, die Tommys sind’s gewesen!
2.3
Das Christentum und der Islam seien beide – darin sind sich Hindi und Guyénot auch einig – Religionen der Seele, die das Seelenheil zum zentralen Inhalt hätten, währenddessen es im Judaismus um die schnöden irdisch-völkischen Interessen der jüdischen Gruppe ginge. Das läßt mich, PT, nun wiederum Sympathien für den judäischen Ansatz empfinden9, wenn dieser denn nicht fast ausschließlich und so unglaublich brutal und verschlagen gegen andere Völker (Amalektiter, Kanaanäenser, Palästiker usw.) gerichtet wäre.
Diese Verschlagenheit nun erfordert nun ganz besondere ideologische Maßnahmen. Wir sollten rein operativ und instrumentell, rein professionell in den ideologischen Kampf eingreifen. Und diese kalte, ohne von Glauben getrübte Herangehensweise sollte uns zum Vorteil gereichen. An dieser Stelle haben die Ideen des möglicherweise agnostischen oder atheistischen – das weiß ich nicht – Laurent Guyénot gegenüber denen des religiösen Youssef Hindi mehr Wert10. Im Gegensatz zu Guyénot muß sich Hindi permanent bemühen, seinen moslemischen Glauben von seiner Aufgabe als Wissenschaftler zu trennen (11:45).
Generell ist der mit messerscharfem Verstand ausgestattete General am Ende auf seinem Feldherrenhügel dem ideologisch Verblendeten – der wie blind auf dem Felde herumgeistert – überlegen, auch wenn er dessen Elemente einige – etwa den Fanatismus – gelegentlich in seine Aktionen integrieren muß. Meistens reicht aber ein gesunder Patriotismus aus, weil dieser ein, wie wir oben besprochen haben, nötiger aber ausreichender Bezugspunkt zur materiellen Welt, ja selbst Teil dieser „materiellen“ Welt ist.
An der Stelle der Messerschärfe und der ganz besonderen Maßnahmen muß natürlich die Ideologie nicht in meinem, aber im hergebrachten Sinne verlassen und in die Wissenschaft vorgestoßen werden. Am Ende helfen nur akribischste Sektionen gegen den Selektionswahn. Die ideologischen Kämpfer müssen also Bibelforscher werden. Man müsse dabei aber, so Guyénot – vor allem, wenn man sich dann auch mit dem Talmud beschäftigt –, aufpassen, nicht verrückt zu werden. Denn dann sei es so, als ob man eine „Irrenanstalt“ betrete: eine „völlig wahnsinnige, absurde, irrationale Welt“. Er habe jedenfalls keine große Lust, in dieser „Krankheit“ herumzustöbern. Außerdem sei es sehr schwer, sich mit den äußerst facettenreichen Strömungen wie dem liberalen Judentum, das vom Talmud so gut wie nichts wissen will, bis hin zu den zunächst anti-, dann aber doch hyperzionistischen Haredim11 zurechtzufinden. Deshalb sei es sehr wichtig, den Wald vor lauter Bäumen noch zu erkennen und immer den gemeinsamen Nenner des Judentums im Auge zu behalten, der, so Hindi, in der „hebräischen Bibel als kultureller Basis von sowohl religiösen als auch atheistischen Juden“ liege (16:10) und in „Imperialismus und Dominanzverhalten“ bestünde (26:16).
Für einen ideologischen Soldaten, der sich auf die Ideologie des selektionistischen Gegners einlassen muß, um sie gut bekämpfen zu können, bestehe also die ernsthafte – und bloß nicht zu unterschätzende! – Gefahr, daß er durchdreht.
3
Moderator Paul Verbeke stellt sicher in Zusammenhang mit dieser Gefahr der psychischen Verwundung des ideologischen Kriegers die grundsätzliche Frage vom Sinn der Ideologiekritik und fragt Hindi und Guyénot, ob es nicht besser sei, sich mit dem zu beschäftigen, was die Zionisten tun, anstatt mit dem, was sie sagen (27:10). Soll man ihnen tatsächlich in ihre mannigfaltigen, zum Haare ausraufenden Aussagen folgen? Eine sehr berechtigte und für unsere Thematik sehr wichtige Frage! Auch ich als habitueller Anti-Ideologe tendiere ja auch dahin, diese Frage affirmativ zu beantworten. Aber beide, Hindi und Guyénot weisen das zurück. Haben Sie Angst, arbeitslos zu werden? Nein, Guyénot sagt völlig zurecht, daß man den zionistischen „Diskurs dekonstruieren“ muß (27:36). Das sei Teil – ja sogar der Kern – der Schlacht. Wir müßten wissen, wie sie räsonnieren. Er habe eine lange Zeit der Reflektion dazu gebraucht zu realisieren, daß es sehr wichtig sei, auf den ideologischen Grund der Dinge zu gehen. Denn wenn man einmal verstanden habe, daß der Zionismus einen fundamental biblischen Ursprung hat, dann … – und jetzt vollendet Guyénot den Satz nicht, verläßt prompt die Metaebene und stürzt sich erneut mit sehr vielen guten Beispielen in die Beweisführung des eminent biblischen Charakters des Zionismus: die neu in Israel angekommenen russischen Juden hätten sich in Befolgung eines jüdischen Grundgesetzes alle beschneiden lassen usw. Das müsse aufgezeigt werden: Die Bibel sei das Problem, sie sei das Vorbild der israelischen Politik. Wenn wir die Bibel anerkennen als Grundlage des Christentums, so Guyénot, dann sagen wir den Juden auch: „Ja, ihr seid das auserwählte Volk. Ihr hattet recht, die Amalektiter auszurotten usw.“
Guyénot weicht also der grundsätzlichen Fragestellung Verbekes nach dem prinzipiellen Sinn von ideologischer Arbeit zunächst aus, als sei diese Frage überflüssig. Aber ich bin mit Verbeke durchaus der Ansicht, daß diese prinzipielle Frage gesondert gestellt und vertiefend beantwortet werden sollte – und zwar in der Perspektive einer Steigerung der Effizienz des ideologischen Krieges. Man muß sich auch einmal ganz zurück- und herausnehmen und alles in Frage stellen, um dann mit frischen Kräften und dem tiefen Wissen um den Sinngehalt und das Warum eines Handelns wieder auf das Schlachtfeld zurückzukehren. Aber bei aller Notwendigkeit der ideologischen Kriegsführung muß auch darüber nachgedacht werden, ob es auf nicht-militärischem Gebiet auch andere als ideologische Waffen gibt, nämlich zum Beispiel die Gefühlsguerilla12.
Guyénot aber befindet sich weiter mitten im ideologischen Krieg und gibt zu bedenken (30:25), daß es in den Köpfen der Christen einen kognitiven Kurzschluß gäbe, wenn sie den Juden bestätigen müßten, daß ihr Handeln bibelgemäß sei (sie gleichzeitig aber Jesus als Messias ablehnten, so der Subtext). Die Christen könnten den Juden aufgrund ihrer Bibeltreue nicht sagen: „Eure Tora ist Scheiße, Gott hat euch nicht auserwählt! usw.“
Doch dann kommt Guyénot (31:42) endlich auf Verbekes prinzipielle, ideologiekritische und -skeptische Frage zurück und wiederholt sie selbst noch einmal: „Wäre es nicht besser, sich mit dem zu beschäftigen, was die Zionisten tun, anstatt mit dem, was sie sagen?“
„Nein“, sagt Guyénot. „Es ist unsere – Youssefs und meine – Rolle, zu reflektieren und in der Lage zu sein, Antworten zu geben und den anderen dabei zu helfen, auch Antworten zu geben.“ Er läßt an dieser Stelle aus, auf die Bedeutung von Argumentation und „Wortergreifung“ (Reinhold Oberlercher) und auf die Frage der Effizienz ideeller Waffen einzugehen. Er nimmt sie einfach für gegeben und sagt: „Mein Problem ist, daß die Christen keine richtigen Antworten geben können“, also schlechte Waffen hätten. Er will seine „Finger immer wieder in diese Wunde legen legen“ und kommt in diesem Zusammenhang dann sogar (bei 40:30) auf die in den USA stattfindende Diskussion, ob das Christentum nicht eine von den Juden geschaffene kolossale Waffe sein könnte, zu sprechen. Diese These wird z.B. von den Wissenschaftlern Dr. David Skrbina13 und Dr. Christopher Jon Bjerknes14 vertreten und von dem Medienmann Adam Green („Know More News“15) propagiert. Die Heiden würden seither einen jüdischen Gott anbeten; damit sei der Sack quasi zugemacht. Deswegen sei schießlich auch der Holocaustianismus so effektiv, der, so Hindi (43:50), das Christentum abgelöst habe (die Herausgeberin des Videos – die von Alain Soral präsidierte Vereinigung Égalité et Réconciliation – hinterlegt dies (42:20) mit eindrücklichen Bildern). Inzwischen ist die Zusammenarbeit von Green und Bjerknes aber zum Erliegen gekommen und ihr Verhältnis total zerrüttet aufgrund – man muß es so sagen – einer Geisteskrankheit, die sich Bjerknes ganz offenbar beim Studium der jüdischen Texte zugezogen hat und die ihn seinen alten Kampfgefährten Green nur noch wüst beschimpfen läßt.16 Leider hat Bjerknes Guyénots Warnung wohl nicht rechtzeitig erreicht.
Jesus wurde, so Guyénot weiter (45:25), von den Juden als Messias abgelehnt und folglich gekreuzigt; aber er mußte für die Christen ja auch gekreuzigt werden, damit er auferstehen konnte. Dieses Paradoxon und wie man darin leben kann – „außer man sagt: ‚ich glaube, weil es absurd ist'“ –, könne er, Guyénot, nicht recht begreifen.
Die Moslems steckten da nicht so sehr in der Falle wie die Christen und seien deswegen im ideologischen Kampf „besser positioniert“, weil sie das Alte Testament nicht für heilig ansehen – „als eine Fälschung“, korrigiert ihn Hindi (31:12). Außerdem sei Jesus, diese zentrale Figur des Korans, nicht am Kreuz gestorben, weswegen sich die Moslems in keinem Paradoxon und in der Kohärenz befänden.
Hindi – der Verbeke gar nicht erst auf die Metaebene folgt und sofort in medias res idealistica weiter herumwühlt –, merkt an, daß das Narrativ Shoa von den Palästinensern gekupfert sei, die vorher von der Nakba gesprochen hätten. Das Konzept der Wahrheit gäbe es im Koran und im Neuen Testament, nicht aber in den jüdischen Schriften. Er plädiert mit weiteren guten Argumenten für eine islamisch-christliche Allianz. Beste Voraussetzungen gäbe es dafür, das Christentum stünde dem Islam sehr viel näher als dem Judentum, „judäo-christlich“ ringt ihm ein müdes Lächeln ab.
4
Ich kann hier nicht länger auf die vielen höchst interessanten Gedanken von Hindi und Guyénot eingehen (wegen drohender Überlastung – Vorsicht Psychose! – konnte ich das Video auch nicht einmal zu Ende schauen), weil der Judaismus nicht das Thema dieses Aufsatzes ist, sondern die Ideologie.
Alles in allem sind Guyénot und Hindi als Ideenkrieger zwar brilliant, aber etwas betriebsblind. Der ideologische Kampf auf akademischer Ebene mag sehr wichtig und unabdingbar sein, aber andere Formen der psychologischen Kriegsführung wie zum Beispiel eine in breiten sozialen Schichten operierende Kommunikationsguerilla sind nicht minder effizient und erfolgversprechend.
Sehr wichtig ist tatsächlich auch – um mit Paul Verbeke zu sprechen –, wenn wir die Taten der Selektokraten einfach und sparsam kommentierend zeigen – anstatt über diese zu reden – und dergestalt an die Herzen und die sog. Humanität appellieren.
Nicht nur Hindi und Guyénot, sondern die Intellektuellenschaft generell, ziehen aber eine cis-ideelle Kriegsführung wie etwa die Gefühlsguerilla offenbar gar nicht in Betracht (wir reden hier nur von soft power, nicht von schweren Geschützen und Geräten). Das Operieren auf der cis-ideellen Ebene könnte sich aber als entscheidend herausstellen, das beweist der derzeitige Gasakrieg und die bis zur Hilflosigkeit gehenden großen Schwierigkeiten, denen sich die Zionisten im Medienkrieg gegenübergestellt sehen.
Und ist das nicht auch eigentlich eine der wichtigsten Herangehensweisen Jesus‘, nämlich die über die Liebe? Das würde langfristig den Bedarf an ideologischen – und ballistischen – Waffen stark reduzieren und das schier unendliche und verrückt machende ideelle Lügengestrüpp niederbrennen. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, das mit einem Video etwas zu demonstrieren.
Laurent Guyénot auf multipolaristen.de:
– Die Religion von Unserer Lieben Frau: die andere Wurzel des Abendlandes
– Die Russen, die Juden und der Wodka
– Eine byzantinische Sicht auf Russland und Europa
– Israels biblische Psychopathie
– Lew Gumiljow und „die Chasarenchimäre“
Youssef Hindi auf multipolaristen.de:
– Rußland und der Westen: ein mehrdimensionaler Kampf
– Der existentielle Weltkrieg. Beitrag zum Chisinau-Forum 2023
Lucien Cerise auf multipolaristen.de:
Russland und der Great Reset. Beitrag zum Chisinau-Forum 2023
Beitrag zur Internationalen Konferenz über Multipolarität (29. April 2023)
Der Wokismus und sein identitäres Kanonenfutter
Gegen das Ende des Sinns. Einführung in den konservativen Materialismus
1 https://multipolaristen.de/lucien-cerise-gegen-das-ende-des-sinns-einfuehrung-in-den-konservativen-materialismus-14-07-2023/; siehe zum konservativen Materialismus auch Peter Töpfer: „Chaos, Korruption, Tiefenkorruption und Ausweitung der Kampfzone“, Rede auf der Konferenz „UN Agenda 21 and The Great Reset. The Fall from Liberalism to Technocracy and Transhumanism“ des Chisinau-Forums 9.–10. September 2023 (Übersicht über alle Beiträge)
2 Peter Töpfer: Pan-Agnostik. Für ein theïstisch-agnostisches Bündnis im Kampf gegen Great Reset und Transhumanismus. Erscheinungsformen der Metaphysik und deren Wertlosigkeit für die Existenz, 2023, S. 304, (Entretien avec Laurent Ozon – février 2023: https://odysee.com/@ERTV:1/Entretien-avec-Laurent-Ozon-F%C3%A9vrier-2023:d), http://blog.peter-toepfer.de/allgemein/buch-pan-agnostik-verlagsinformationen/
3 ebenda, S. 305
4 Die Verbindungen zwischen Zionismus und Judentum, Pourquoi tant de haine ? n°62 : Les liens entre sionisme et judaïsme, avec Youssef Hindi, Laurent Guyénot – Émission du 29 janvier 2024: https://www.youtube.com/watch?v=1tJHZz5TFWg&t=1870s (Youtube-Ersatz: https://www.youtube.com/watch?v=SXhJgZkfg5U), Audio: https://radio.e-r.fm/podcast/19685, Twitter: https://twitter.com/erfm_er/status/1752193235760329193?s=43&t=cAh_Q-tgIZ5YuurmguT8vw, Odysee: https://odysee.com/@tiefenwahrheit:1/2024-01-29-Hindi-Guyenot:f, Rumble: https://rumble.com/v4ai8x9-january-31-2024.html
5 Im Video bei 49:00. Siehe auch: Laurent Guyénot: Eine byzantinische Sicht auf Russland und Europa: https://multipolaristen.de/religion/laurent-guyenot-eine-byzantinische-sicht-auf-russland-und-europa-04-03-2022/
9 Peter Töpfer: Pan-Agnostik, Vierte Abteilung: Religiosität ohne Gott, S. 146: http://blog.peter-toepfer.de/allgemein/buch-pan-agnostik-verlagsinformationen/
10 Der inzwischen auch im angelsächsischen Bereich insbesondere mit seinen Arbeiten zu 9/11, JFK und Judäokritik große Bekanntheit habende Laurent Guyénot ist in der Germanophonie leider noch weitgehend unbekannt. Dem will multipolaristen.de Abhilfe schaffen und veröffentlicht regelmäßig Aufsätze von Laurent Guyénot (es sollten aber vor allem seine Bücher und Videos übersetzt werden!): Die Religion von Unserer Lieben Frau: die andere Wurzel des Abendlandes: https://multipolaristen.de/laurent-guyenot-die-religion-von-unserer-lieben-frau-die-andere-wurzel-des-abendlandes-19-02-2019/, Die Russen, die Juden und der Wodka: https://multipolaristen.de/multipolaristen/kunst-und-kultur/laurent-guyenot-die-russen-die-juden-und-der-wodka-19-10-2022/, Eine byzantinische Sicht auf Russland und Europa: https://multipolaristen.de/religion/laurent-guyenot-eine-byzantinische-sicht-auf-russland-und-europa-04-03-2022/, Israels biblische Psychopathie: https://multipolaristen.de/multipolaristen/post-psychologie/sozial-post-psychologie/laurent-guyenot-israels-biblische-psychopathie-28-10-2023/, Lew Gumiljow und „die Chasarenchimäre“: https://multipolaristen.de/multipolaristen/ethnologie/laurent-guyenot-lew-gumiljow-und-die-chasarenchimaere-01-12-2022/
11 https://en.wikipedia.org/wiki/Haredim_and_Zionism
12 http://www.nationale-anarchie.nationalanarchismus.de/Guerilla_/Gefuhlsguerilla/gefuhlsguerilla.html
13 Beispielsweise: https://rumble.com/v2luvm8-the-greatest-brainwashing-psyop-ever-know-more-news-w-adam-green-feat.-dr.-.html oder https://www.goyimtv.com/v/3074046407/The-Jesus-Hoax-to-Deceive-the-Gentiles—Know-More-News-LIVE-w–David-Skrbina–PhD
14 Beispiel: https://youtu.be/quAA_npuyiY
15 https://t.me/Know_More_News, https://odysee.com/@KnowMoreNews:1, https://twitter.com/know_more_news, https://www.bitchute.com/channel/qPYBk4x8LaDs/, https://rumble.com/user/KnowMoreNews; in Deutschland übernimmt Tilman Knechtel diese Gedanken: https://www.youtube.com/watch?v=n9SagnYwZ4c, https://www.youtube.com/watch?v=yLNGps2FSZs, https://t.me/s/TrauKeinemPromiOffiziell, https://odysee.com/@traukeinempromi:9